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Gute Nacht und s​ü​ß​e Tr​ä​ume

by Martin Auer

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1.
Hure im November, und dann noch drei Uhr früh. Hure im November, der Morgen kommt wohl nie. Die Nacht ist alt und schimmlig, die Autos spritzen Dreck. Die Lampen glotzen dümmlich und der Nebel kriecht ums Eck. Hure im November... Hure im November, und kein Mensch zu sehn. Hure im November, herrlich, hier zu stehn! Die Beine steif wie Stecken, die Stiefel sind verschmiert. Die Nacht ist am Verrecken, doch sie ist noch nicht krepiert. Hure im November... Laterne, Laterne, Sonne Mond und Sterne, die Laus ist übers Bett marschiert, habt mich alle gerne. Hure im November, der Morgenregen pißt. Hure im November, jetzt kommt nur mehr der Mist, die Müden und verbrauchten, verkatert und verkracht, die Besoffnen, ausgerauchten Verlierer dieser Nacht. Hure im November... Hure im November, das Zimmer ist zu heiß. Hure im November, s'riecht nach Lysol und Schweiß. Es gibt welche, die können nur, wenn man sie lobt. Wenn sie nicht können, flennen sie und manche werden grob. Hure im November... Rote Laterne, Sonne Mond und Sterne, die Laus ist übers Bett marschiert, habt mich alle gerne. Hure im November, wie der Kerl schwitzt. Hure im November, Gott, mach, daß er bald spritzt! Der Gummi schmeckt nach Seife. Jetzt mach ihn endlich voll! Komm putz dir deine Pfeife und dann sag noch, es war toll! Hure im November...
2.
Es ist nicht viel an ihr dran, sie läuft immer nur so mit. Wenn sie einmal einer anschaut, kriegt er selten Appetit. Sie hat viel zu große Zähne, einen feuchten Hundeblick. Nur ihre Nummer mit dem Hummer, Mann, das ist ein irrer Trick. Sie ist mager, sie häßlich, ihre Schuhe sind zu groß. Und solang sie nüchtern ist, ist überhaupt nichts mit ihr los. Sie ist weder cool noch witzig, sie ist nicht besonders schlau, nur ihre Nummer mit dem Hummer, Mann, das ist die große Schau. Sie hat sonst keine Talente, sie gibt überhaupt nichts her. Sie hat nen Gang wie eine Ente, eine Stimme wie ein Bär. Sie ist schrecklich angezogen, ihr Gerede ist banal, nur ihre Nummer mit dem Hummer, die ist wirklich kolossal. Sie kann stundenlang so sitzen, macht sich dünn und fällt nicht auf. Lauscht den Reden und den Witzen, macht sich keinen Reim darauf. Manchmal deutet wer auf sie (und sie grinst still in sich hinein): "Die hat ne Nummer mit nem Hummer, die ist absolut zum Schrei'n" Manchmal lädt sie einer ein und manchmal nimmt sie einer aus. Man spendiert ihr einen Drink, doch sie tut's für den Applaus. Wenn die Stimmung überkocht und jede Sicherung durchbrennt, heißts: "Zeig die Nummer mit dem Hummer!" Und das ist dann ihr Moment. Keiner weiß, woher sie kommt und keiner weiß, wovon sie lebt. Und es sieht auch nicht so aus, daß sie nach etwas Höherm strebt. Sie hat nur den einen Trick, der ist ihr ganzes Kapital: ihre Nummer mit dem Hummer, UND DIE IST PHÄNOMENAL!
3.
Sie ist groß, sie ist blond, sie ist herrlich gebaut und ihr Lächeln geht dir unter die Haut. Sie geht auf dich ein und sie geht aus sich raus, doch sie nimmt dich niemals mit nach Haus. Sie hat den Charme und sie hat den Chic, nur ein tiefer Blick und du schwimmst im Glück. Jeder, der sie kennt probiert sein eigenes Rezept, aber keiner hat sie noch abgeschleppt: Denn jede Nacht kommt zu ihr der Teufel ins Bett, seine Augen glühn und sein Hintern ist fett, sein Brusthaar dampft und sein Atem ist heiß, doch sein eiskalter Kuss friert ihre Lippen weiß, jede Nacht, jede Nacht! Du dringst nicht ein in ihr Versteck und selbst wenn sie dich liebt, es hat keinen Zweck. Sie gibt dir lächelnd einen Kuss, schaut dir tief in die Augen und dann ist Schluss. Denn jede Nacht kommt zu ihr der Teufel ins Bett, seine Augen glühn und sein Hintern ist fett, sein Brusthaar dampft und sein Atem ist heiß, doch sein eiskalter Kuss friert ihre Lippen weiß, jede Nacht, jede Nacht! Sie ist klug, sie ist witzig und sie lacht gern laut. Sie lässt keinen merken, wovor ihr graut. Erst wenn sie nach Haus geht, merkst du bestenfalls ein kleines Frösteln an ihrem Hals. Denn jede Nacht kommt zu ihr der Teufel ins Bett, seine Augen glühn und sein Hintern ist fett, sein Brusthaar dampft und sein Atem ist heiß, doch sein eiskalter Kuss friert ihre Lippen weiß, jede Nacht, jede Nacht!
4.
Manchmal vergesse ich einfach, wo ich herkomme. Vergesse, dass ich als Eisklumpen dem Gletscher entsprang und ins Tal hinunter rollte. Im Frühjahr taute ich auf und eine herumziehende Schildkröte schleppte mich langsam und mühselig nach Hause, wo sie mich in eine Mehlkiste warf. Dort fand mich meine Mutter. Und sie klopfte mir bleichem Wurm das Mehl so lange von den Schultern, bis nur mehr mein Husten übrig blieb. Erst viel später habe ich reden gelernt.
5.
Ich bin eine Nixe, sagt sie, ich komm durch die Wasserleitung. Meine Familie zog aus dem Süden herauf in die Stadt. Meine Familie wohnt in einem Aufzug im achtzehnten Postbezirk. wenn sie beim Frühstück sitzen, tunkt immer der Zahnarzt aus dem zwölften Stock seinen Mantel in ihren Kaffee. Und sie sagt: O Mann, o Mann, o Mann, wie ich dich liebe! Und im Stadtpark ist es so hell heut, die Luft ist wie Silber. Und Baby kriegt Eiskrem und bekommt einen Erstickungsanfall. Und eine kleine fliegende Kamera macht Fotos von uns mit rosa Schleifchen. Und der Brezelmann geht Pleite vor unsern Augen. Und sie sagt: O Mann, o Mann, o Mann, wie ich dich liebe! Das sind vielleicht herrliche Zeiten, sagt sie, für alles gibt es Gratisgutscheine. Und gestern hab ich mich versichern lassen gegen Todesangst und Melancholie. Und alle haben jetzt Telefon im Auto, eine Kreditkarte und eine Versicherungsnummer. Und sogar die Polizisten tragen Lebkuchenherzen im Haar. Und sie sagt: O Mann, o Mann, o Mann, wie ich dich liebe! Ich bin eine Nixe, sagt sie, ich kann nicht ertrinken. Aber immer, wenn ich Goldfische seh, wird mir ganz furchtbar schlecht. Und vielleicht bricht morgen der Frieden aus, dann gehn wir ganz groß einen saufen. Und vielleicht bricht er nicht aus, aber das erfahrn wir dann schon.
6.
Geh schlafen, Anna-Marie, dir kann gar nichts geschehn! Die Engel kreisen über der Stadt, der liebe Gott kann dich sehn. Und im Traum bist du schön. Geh schlafen, Anna-Marie, dir kann gar nichts geschehn. Lippen wie Seide, Schultern wie Eis. Verbotene Spiele, wie hoch ist der Preis? Jadegrüne Augen so tief wie das Meer. Und von Osten kommen tausend dunkle Reiter daher. Geh schlafen, Anna-Marie, dein Nachtlämpchen glüht. Musik kommt herauf von der Bar, wenn der Lärm sich verzieht. Und sie spielen dein Lied. Geh schlafen, Anna-Marie, sie spielen dein Lied. Verschleierte Blicke, Perlen im Glas. Blitzlichtgewitter. Wind überm Gras. Strahlendes Lächeln, verborgenes Leid. Champagner im Kopf und eine Hand unterm Kleid. Geh schlafen, Anna-Marie, dir kann gar nichts geschehn! Die Engel kreisen über der Stadt, der liebe Gott kann dich sehn. Und im Traum bist du schön. Geh schlafen, Anna-Marie, dir kann gar nichts geschehn.
7.
Der Mond ist heute viel zu rot, der Himmel viel zu blaß. Der Markt hat Fisch im Angebot! Ja, merkt denn keiner was? Die Züge fahren viel zu schnell. Es riecht nach kaltem Kohl. Die Lichter brennen auch zu hell. Die ganze Stadt ist hohl! Die Wände klingen nach Metall und das Kanalrohr rauscht. Die Schritte geben zuviel Hall. Die Straßen sind vertauscht! Vorm Kino liegt ein grünes Tuch auf dem nassen Asphalt! Doch die Kassierin liest ihr Buch und schaut weg mit Gewalt! Sie fülln die Straßen ganz banal bloß mit Statisten an. Ich treff heut schon zum fünften Mal denselben Zeitungsmann! Sie wirken echt und gehn herum als kennten sie sich nicht. Ich spiele mit: Ich stell mich dumm, schau keinem ins Gesicht. Die wissen schon ganz gut Bescheid, worauf das ganze zielt. Mich haben sie nicht eingeweiht. Ich soll raten, was man spielt. Die kennen alle Regeln und sie wissen auch den Zweck. Die wollen mit mir kegeln und ich habe kein Versteck. Die Stadt hat keine Türen und die Häuser sind aus Glas. Aus allen Wänden stieren sie und haben ihren Spaß! Die Telefone sind gekappt, die Straßen unterbrochen. Die Falle ist schon zugeschnappt. Das Urteil längst gesprochen.
8.
Nachruf 02:22
Wer fährt jetzt deinen Wagen, wer küßt jetzt deine Frau? Wer schwitzt auf deinem Leintuch in der Nacht? Was willst du jetzt noch sagen? Du warst doch einst so schlau! Du hasts, wie du stets sagtest, weit gebracht. Zigeuner in deinem Garten, Im Keller schleicht ein Dieb.    Worauf willst du noch warten,    Du, dem nichts mehr blieb? Da dröhnt noch dein Gelächter, da plätschert noch dein Witz. Da flattern noch deine Träume halb geträumt. Der Schreiber und der Wächter würfeln um deinen Besitz. Sie haben alle Kisten ausgeräumt. In den Schubfächern nisten Schwalben. Auf dem Fußboden liegen verstreut die leeren Fotoalben deiner ungelebten Zeit. Und wer weiß jetzt dein Wissen, und wer spielt jetzt dein Spiel? Wer zieht jetzt den Gewinn aus deinen Tricks? Die Pläne sind verschlissen, verlassen liegt dein Ziel, das dir einst schien der Inbegriff des Glücks. Es verschenken deine Kinder, achtlos, was du ihnen vermacht. Durchs Fenster schaut ein Blinder und lacht und lacht und lacht.
9.
Marder unter der Motorhaube! Marder! Das kriecht so sanft herein. Marder! Im Maul die tote Taube. Marder! Fang jetzt nicht an zu schrei'n! Sein sanfter Zahn hat mich geritzt, die kleine, heiße Wut die scharf aus seinem Auge blitzt, die Kralle, die die Haut aufschlitzt, das Fell von Öl bespritzt. Marder! Federn auf dem Kissen. Marder! Und ein zerfetzter Hut. Marder! Ein Rachen aufgerissen. Marder! Geruch nach kaltem Blut. Der Wind treibt tote Blätter auf die Bahn, im nassen Asphalt spiegeln sich Lichter dann und wann. Reifen rollen kreischend an, ein Fetzen Fell daran...
10.
Sie gibt sich auf. Sie hat sich lange genug gewehrt, sie hat kein Lächeln mehr. Und auch das Wetter ist zu kalt. Sie gibt sich auf. Sie sieht sich an und gibt sich keine Chance mehr. Sie ist zu leer und das Wetter ist zu kalt. Nur manchmal hat sie Abende, da scheint ihr, alles könnte doch noch möglich sein. Da ist sie meist allein. Da schaut sie still ins Leere, oder zündet eine Kerze an und starrt hinein. Und dazu trinkt sie zuviel Wein. Dann schläft sie ein. Sie gibt sich auf. Sie hat das alles schon durchgemacht, sie kennt das wirklich schon. Sie will nicht noch einmal von vorn. Sie gibt sich auf. Im Grunde hat sie hier doch gar nichts mehr verlorn. Was nützt der Zorn. Es ist auch wirklich schon zu kalt. Es kommen dann noch Tage, wo sie denkt, daß sie vielleicht noch etwas ändern könnt. Im richtigen Moment! Dann macht sie noch mal Pläne, schreibt sich Zettel, drauf sie alle ihre Wünsche nennt. Bis sie in die Küche rennt und sie verbrennt. Sie gibt sich auf. Es wird jetzt alles so weitergehn, solang es weitergeht. Und dann geht es halt nicht mehr. Sie gibt sich auf. Nichts eilt jetzt mehr, es war doch gestern schon zu spät. Das Uhrwerk steht. Und das Wetter ist zu kalt.
11.
Ferngespräch aus Canberra Connies Schwester ist dran. Sie fliegt Weihnachten kurz mal herüber mit ihrem Mann. Der Fernschreiber tickt eine Bestellung aus Teheran. Und das Fernsehen zeigt den Meeresgrund im Stillen Ozean. Satelliten zwinkern einander zu, spielen Frieden der Sterne. Es gibt keine Ferne. Conny erzählt, sie hätt eine neue Insel entdeckt. Völlig unberührt vom Tourismus, so stehts im Prospekt. Die Bevölkerung von Trinkgeldsucht noch nicht angesteckt. Conny sagt: »Wehe der Strand ist wieder verdreckt!« Und sie schreibt uns dann auch, obs erträglich ist. Das tut sie gerne. Es gibt keine Ferne. Conny sagt, das beste Wiener Schnitzel gibts in Tokio. Und Balinesisch ißt du in München besser als anderswo. Im Manila Hilton hätten sie einen recht passablen Bordeaux. Nur die russischen Blini wären dort immer halb roh. Und von den Papayas ißt sie nur mehr die Kerne. Es gibt keine Ferne. Ich schick meine Sehnsucht ins Weite. Wohin zieht sie wohl? Der Wind treibt den Rauch aus den Schloten bis rüber zum Pol. U-Boote pflügen durchs Eismeer von Kamtschatka bis Limmassol. Spionagesatelliten sehn das letzte Dorf in Tirol. Und man grinst über dieselben Fernsehshows in Ohio und Herne. Es gibt keine Ferne.
12.
Singen leise Wasser, singen ferne, hinter allem Lärm, Hinter dem Geplauder und Geschwärm singen leise Wasser. Singen leise Wasser ferne hinter Heulen und Gedröhn. Hörbar noch durch Jammern und Gestöhn singen leise Wasser. Singen leise Wasser hinter dem Gelächter und Geschrei. Fern, durch Kälte, Tod und Raserei hörst du leise Wasser.

credits

released June 7, 2014

Produziert von Klaus Trabitsch
Martin Auer: Gesang, Synthesizer
Klaus Trabitsch: Gitarre, Synthesizer
Martina Cizek: Saxophon
Adula Ibn Quadr: Geige
Aufgenommen von Jupp Prenn

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Martin Auer Vienna, Austria

Martin Auer ist Schriftsteller, Liedermacher, Netzkünstler und sonst noch allerlei. Er lebt in Wien.

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